10.02.2022

Veranstaltungsreihe – Zwangsarbeit in Deutschland


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Eine nahezu vergessene Opfergruppe bilden die Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter. Mehr als 13 Millionen ausländische Arbeitskräfte hielten zwischen 1939 und 1945 die Kriegswirtschaft in Deutschland aufrecht oder sorgten dafür, dass die Versorgung für die deutsche Bevölkerung nicht zusammenbrach. In Tübingen stammte bei Kriegsende jede 4. Arbeitskraft aus dem Ausland. Weder Universität und Stadtverwaltung noch die meisten Tübinger Firmen verzichteten auf den Einsatz der billigen und weitgehend rechtlosen Arbeitskräfte.

Die Geschichten der nach aktuellem Wissensstand 103 toten Zwangsarbeiterinnen und -arbeiter, die aus ganz Südwestdeutschland in die Tübinger Anatomie geliefert wurden, zeigen, wie erbärmlich die Situation für die meisten war. Die wenigen positiven Beispiele machen aber auch klar, dass es möglich war, den fremden Arbeitern mit Anstand zu begegnen.

Eine Aufarbeitung dieses Unrechts setzte erst spät ein. In Tübingen machte die Projektgruppe Fremde Arbeiter des Ludwig-Uhland-Instituts in den 1980er Jahren den Anfang. Es folgten die städtischen Besuchsprogramme 1991 und 2001. Seitdem hat es sich vor allem das Lern- und Dokumentationszentrum zum Nationalsozialismus in Tübingen e.V. zur Aufgabe gemacht, über Zwangsarbeit aufzuklären. Doch noch immer scheint die Geschichte dieser Fremden keinen wirklichen Platz in der Erinnerungskultur der Stadt zu haben.

Mit der Veranstaltungsreihe
„… so weit weg von Polen, so weit weg von geliebten Menschen.“ ZWANGSARBEIT IN DEUTSCHLAND | ERINNERUNG & GEDENKEN
wollen wir dazu beitragen, dass die Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter nicht in Vergessenheit geraten, und die Nachwirkungen dieses Unrechts reflektieren.

Dr. Katarzyna Woniak (Halle) rückt in ihrem Vortrag die Erfahrungen der Zwangsarbeiter:innen in den Mittelpunkt und nimmt sich deren Arbeit und Alltag von 1939-1945 an. Seit 2020 ist Dr. Katarzyna Woniak wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg und beschäftigt sich hier unter anderem mit den „Gefühlswelten in Polen unter deutscher Besatzung“.

Natascha Wodin (Berlin), geboren als Kind sowjetischer Zwangsarbeiter, wird im Rahmen der Vortragsreihe eine Lesung aus ihrem preisgekrönten Werk „Sie kam aus Mariupol“ halten. In ihren Werken setzt sie sich unter anderem mit den Themen der Entwurzelung, Fremdheit und Ortlosigkeit auseinander und widmet sich Außenseiterexistenzen und Grenzgängern.

„…so weit weg von Polen. So weit weg von geliebten Menschen“ – dieses Zitat und damit Titel der Veranstaltungsreihe stammt aus den Aufzeichnungen von Czesław Eugeniusz Kupisiewicz, der während des Zweiten Weltkriegs in Deutschland Zwangsarbeit verrichten musste. Seine Aufzeichnungen werden von den Schauspieler:innen des Zimmertheaters Tübingen vorgetragen, wodurch wir den ehemaligen Zwangsarbeiter:innen eine Stimme geben möchten.

Die Veranstaltungsreihe schließt am 28.02 mit einer Podiumsdiskussion, in welcher Dr. Christine Glauning (Berlin), Benedict von Bremen (Tübingen), Norbert Weiss & Krystyna Janas-Weiss (Calw) und Dagmar Waizenegger (Tübingen) sich dem Thema „Vergangenes Unrecht – künftiges Erinnern“ annehmen werden.