Biographien

Was bleibt nach dem Tod vom Leben? Mit dieser Frage sahen sich die Menschen, denen wir uns hier widmen, in einer ganz besonderen Weise konfrontiert. Denn ihnen war die Möglichkeit genommen, Vorkehrungen für die Verfügung über ihren Körper nach ihrem Ableben zu treffen. Ihr Leichnam wurde in die Tübinger Anatomie verbracht, ohne dass sie zu Lebzeiten ihre Zustimmung dazu gegeben hatten.

Überlieferte Quellen

Was bleibt nach dem Tod vom Leben? Für die Rekonstruktion ihrer Lebensgeschichten ist diese Frage ganz entscheidend. Oft haben die Menschen, die im Gräberfeld X bestattet wurden, nur wenige schriftliche Zeugnisse von sich selbst hinterlassen. Im besten Fall sind uns persönliche Briefe überliefert, die uns an ihren Gedanken teilhaben lassen und uns einen Einblick in ihr Leben erlauben.

Wir hoffen, diese Zeugnisse mithilfe von Nachfahren zu ergänzen, denn auf Zeitzeugen, die sie selbst noch gekannt haben, können wir nach so langer Zeit wohl nicht mehr zurückgreifen.

Oft müssen wir ihre Lebensgeschichten daher aus Akten von Behörden rekonstruieren, die als disziplinarische Einrichtungen in das Leben dieser Menschen eingegriffen haben: Richter, Justizvollzugsangestellte, Wehrmachtsstellen, Pflegerinnen und Pfleger sowie Ärztinnen und Ärzte in Heil- und Pflegeanstalten oder Lazaretten. Das Abhängigkeitsverhältnis, das zwischen diesem Personal auf der einen Seite sowie den Angeklagten, Inhaftierten, Gefangenen und Insassen auf der anderen Seite herrschte, schrieb sich auch in die Schriftstücke ein, die uns überliefert wurden. Sie entstanden zudem nicht im »normalen« Leben der Menschen, sondern in einem Ausnahmezustand. Ein Mensch hatte ein Verbrechen begangen, war krank oder hilfsbedürftig geworden oder in Kriegsgefangenschaft geraten.

Unsere Aufgabe

Was bleibt also nach dem Tod vom Leben? Wir haben nur fragmentarische Geschichten, die wir zu einem Bild zusammenzusetzen versuchen – zum Gedenken und zum Nachdenken.


Alle Biographien

Portraitfoto

Alois Schnellinger

»Ein kurzes, bewegtes und wenig glückliches Leben hatte der Alois Schnellinger.«

geboren:
14.4.1907 in Fachsenfeld
gestorben:
8.3.1937 in Vaihingen-Enz (Kreiskrankenhaus)
Alter:
29 Jahre
Staatsangehörigkeit:
Deutschland
Portraitfoto

Franciszek Gacek

Franciszek Gacek – ein junger polnischer Zwangsarbeiter aus Zaskale, hingerichtet wegen »unerlaubten Geschlechtsumgangs«.

geboren:
27.5.1914 in Zaskale
gestorben:
23.4.1942 in Grab, Kr. Backnang
Alter:
27 Jahre
Staatsangehörigkeit:
Polen
Portraitfoto

Josef Bukofzer

»Als ein jüdischer Verfolgter war er Opfer der genuin nationalsozialistischen Rechtsprechung geworden.«

geboren:
25.12.1878 in Nieczwiens
gestorben:
2.2.1942 in Hohenasperg (Zuchthaus)
Alter:
63 Jahre
Staatsangehörigkeit:
Deutschland
Portraitfoto

Georg Nestor

»Allgemeinzustand ist durch das Gewicht angezeigt.« Georg Nestor (5.5.1913-27.4.1940)

geboren:
5.5.1913 in München
gestorben:
27.5.1940 in Hohenasperg (Strafanstalt)
Alter:
27 Jahre
Staatsangehörigkeit:
Deutschland
Portraitfoto

Karoline Theobald, geb. Blatter

Karoline Theobald starb während ihrer einjährigen Jahr Haft in der Strafanstalt Gotteszell, nachdem sie wegen Geldbeschaffung unter »Vorspiegelung falscher Tatsachen« in 29 Fällen verurteilt wurde.

geboren:
3.3.1895 in Saarbrücken
gestorben:
20.4.1935 in Gmünd (Strafanstalt Gotteszell)
Alter:
40 Jahre
Staatsangehörigkeit:
Deutschland
Portraitfoto

Hans Belschner

»Ich wäre der beste Kerl, wenn ich irgendwo wäre, wo ich persönlich und nicht geschäftlich behandelt würde.«

geboren:
20.4.1916 in Zürich
gestorben:
14.10.1941 in Schwäbisch Hall (Sicherungsanstalt)
Alter:
25 Jahre
Staatsangehörigkeit:
Deutschland
Schweiz
Portraitfoto

Auguste Hägele

»Der Prozess gegen Auguste Hägele war nur deswegen zustande gekommen, weil ihr Sohn A. Hägele sie denunziert hatte.«

geboren:
6.7.1884 in Schwäbisch Gmünd
gestorben:
6.11.1937 in Gotteszell (Frauengefängnis)
Alter:
53 Jahre
Staatsangehörigkeit:
Deutschland
Kein Portraitfoto vorhanden

Schichamir Gadirowitsch Gadirow

Muslimischer Kriegsgefangener aus dem Kaukasus, starb unter umgeklärten Umständen und wurde möglicherweise von der SS ermordet.

geboren:
1902 in Sultan-Jurt
gestorben:
12.6.1942 in Stetten am kalten Markt (Lager Heuberg)
Alter:
40 Jahre
Staatsangehörigkeit:
Inguschetien
Russland
Portraitfoto

Iwan Semjonowitsch Nikitenko

Sowjetischer Kriegsgefangener aus der Ukraine, der beim »Karosseriewerk Reutter« in Stuttgart Zwangsarbeit verrichtete und im Alter von nur 22 Jahren verstarb.

geboren:
20.8.1921 in Tschortomlyk
gestorben:
22.7.1943 in Tübingen (Lazarett)
Alter:
21 Jahre
Staatsangehörigkeit:
Ukraine
Portraitfoto

Setrak Semjonowitsch Awedisjan

Sowjetischer Kriegsgefangener, der während seiner Gefangenschaft sehr oft verlegt wurde. Nach Ende des Zweiten Weltkriegs verwendeten Tübinger Anatomen noch seine Leiche.

geboren:
1904 in Chando
gestorben:
22.11.1943 in Tübingen (Lazarett)
Alter:
39 Jahre
Staatsangehörigkeit:
Armenien
Portraitfoto

Theodor Moonen

Niederländisches Opfer der NS-Justiz.

geboren:
15.6.1899 in Haaren
gestorben:
8.3.1944 in Stuttgart
Alter:
44 Jahre
Staatsangehörigkeit:
Niederlande
Portraitfoto

Friedrich »Fritz« Rahkob

Kommunistischer Widerstandskämpfer und Opfer der NS-Justiz.

geboren:
25.7.1885 in Rotthausen
gestorben:
24.8.1944 in Stuttgart
Alter:
59 Jahre
Staatsangehörigkeit:
Deutschland
Portraitfoto

Konstantin Sergejewitsch Andrejew

Sowjetischer Kriegsgefangener, als Zwangsarbeiter bei der Firma Maybach in Friedrichshafen eingesetzt, an Lungentuberkulose verstorben.

geboren:
19.10.1903 in Kasan
gestorben:
19.5.1943 in Tübingen (Kriegsgefangenenlazarett)
Alter:
39 Jahre
Staatsangehörigkeit:
Russland
Portraitfoto

Theodor Kalymon

Ukrainischer Zwangsarbeiter, denunziert und von der Gestapo erhängt.

geboren:
23.9.1922 in Novosilky-Hostynni
gestorben:
12.5.1943 in Kusterdingen
Alter:
20 Jahre
Staatsangehörigkeit:
Ukraine
Portraitfoto

Balthasar Kirchberger

Ehemaliger Soldat, wegen »Wehrkraftzersetzung« zum Tode verurteilt.

geboren:
6.1.1895 in Hofreuth
gestorben:
16.2.1944 in Stuttgart
Alter:
49 Jahre
Staatsangehörigkeit:
Deutschland
Portraitfoto

Karl Westermeier

»Westermeiers Biografie zeigt, wie moralisch ambivalent sich die Geschichte von Straftätern während der NS-Zeit gestaltet.«

geboren:
5.3.1896 in Mödelsbach
gestorben:
17.5.1941 in Hohenasperg (Strafanstalt)
Alter:
45 Jahre
Staatsangehörigkeit:
Deutschland