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1922 – 1943

Herbert Lamboy

Herbert Lamboys früher Tod war mit Sicherheit nicht das Ergebnis eines »Unglücksfalles«, wie die Angehörigen im Sterbezettel verständlicherweise die wahren Hintergründe schamhaft zu verhüllen suchten.

  Finster drohend steht die Guillotine im Lichthof des Stuttgarter Justizgebäudes vor dem zwanzigjährigen Verurteilten an jenem frühen Morgen des 17. April 1943. Irgendwann innerhalb der letzten drei Tage ist dem gebürtigen Westerwälder Herbert Lamboy die bevorstehende Vollstreckung der Todesstrafe für 5 Uhr angekündigt worden. [...]

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1862 – 1938

Wilhelm Heinrich Sutter

»Die Zukunft macht ihm wenig Sorgen. Außer seiner möglichst baldigen Freiheit äußert er keine Wünsche«.

Schwierige Verhältnisse Wilhelm Heinrich Sutter wurde am 7. Februar 1862 in Murrhardt, einer Kleinstadt im Schwäbisch-Fränkischen Wald nordöstlich von Stuttgart, geboren, von wo auch beide Eltern stammten. Er hatte sieben Geschwister, von denen drei bereits früh verstarben. Die familiären Verhältnisse, in denen er aufwuchs, waren [...]

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1898 – 1943

Antoni Mydyński

Antoni Mydyński war ein Zwangsarbeiter aus dem Westen der Ukraine, der im Amtsgericht nach Schlägen eines Wärters starb. Die Todesursache wurde vertuscht und erst nach 1945 aufgeklärt.

Der Zwangsarbeiter Antoni Mydyński starb am 28. Februar 1943 im Tuttlinger Amtsgerichtsgefängnis nach Schlägen, die ihm der Gefängniswärter Eugen Stooss beigebracht hatte. Als Todesursache meldete der Amtsgerichtsdirektor Karl Hirzel, der für das Gefängnis verantwortlich war, an das Standesamt einen Sturz auf einen Ofen und damit [...]

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1907 – 1937

Alois Schnellinger

»Ein kurzes, bewegtes und wenig glückliches Leben hatte der Alois Schnellinger.«

Alois Schnellinger wurde 1907 in Himmlingsweiler bei Fachsenfeld im Ostalbkreis geboren, in eine katholische Familie hinein, welche in prekären Verhältnissen lebte, wie man heute sagen würde. Im Rahmen einer privaten Stammbaumforschung fiel bei der Durchsicht eines Familienregisters bei seinem Eintrag auf: a) geboren in Himmlingsweiler [...]

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1914 – 1942

Franciszek Gacek

Franciszek Gacek – ein junger polnischer Zwangsarbeiter aus Zaskale, hingerichtet wegen »unerlaubten Geschlechtsumgangs«.

Franciszek Gacek wurde 1915 als fünftes Kind einer Bauernfamilie im südpolnischen Zaskale unweit von Zakopane geboren. Die Lebensbedingungen waren hart. Sein ältester Bruder war schon vor seiner Geburt nach Argentinien ausgewandert. Wie seine Geschwister musste Franciszek von klein auf in der elterlichen Landwirtschaft und beim [...]

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Das Projekt »Gräberfeld X«

Welche Rolle hatte die Tübinger Anatomie im NS-System? Wer waren die Menschen, die zwischen 1933 und 1945 nach ihrem Tod in das Institut der Universität für Forschung und Lehre verbracht wurden? Wie lässt sich das Gräberfeld X, auf dem sie auf dem Stadtfriedhof anonym bestattet wurden, in der städtischen Erinnerungsarbeit angemessen und produktiv verankern? Diese Fragen begleiten das gemeinsame Forschungsprojekt von Stadt und Universität Tübingen seit dessen Beginn am 1. Januar 2020.

Das Gräberfeld X

Das Gräberfeld X des Tübinger Stadtfriedhofs diente dem Anatomischen Institut von 1849 bis 1963 als Begräbnisstätte. Seit 1952 gestaltete es die Stadt Tübingen in verschiedenen Phasen zu einem Gedenkort um, an dem die Toten ewiges Ruherecht haben. Denn im Gräberfeld X liegen mehrere hundert Opfer der NS-Gewaltherrschaft begraben. Sie stammen nicht nur aus Deutschland, sondern aus weiten Teilen Mittel- und Osteuropas: Kriegsgefangene, Zwangsarbeiter*innen, Opfer der NS-Justiz. 1990 stiftete auch die Universität einen Gedenkstein, nachdem die Präparate von möglichen NS-Opfern, die bis dahin noch in der Anatomie und anderen medizinischen Sammlungen vorhanden waren, ebenfalls dort bestattet worden waren.

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Das Gräberfeld X als physischer und symbolischer Ort

Das bedeutet: Das Gräberfeld X ist sowohl ein physischer als auch ein symbolischer Ort. Symbolisch steht das Gräberfeld X als Denkmal für die NS-Opfer und als Mahnmal für die NS-Gewaltherrschaft. Als physischer Ort erinnert es auch an jene Menschen, die zwar keine Opfer des NS-Unrechtssystems geworden sind, aber Betroffene einer Jahrhunderte alten Praxis der anatomischen Leichenbeschaffung waren, die die Würde und das Selbstbestimmungsrecht dieser Menschen nicht achtete. Es waren mittellos Verstorbene, durch Suizid aus dem Leben Geschiedene, Hingerichtete sowie zu Tode gekommene Insassen von Heil- und Pflegeanstalten, sogenannten „Arbeitshäusern“, Gefängnissen. Keine und keiner von ihnen kam freiwillig in die Tübinger Anatomie, niemand wurde gefragt, ob er damit einverstanden war, dass sein Körper seziert oder zur Herstellung von Präparaten genutzt wurde.

Ziele

Wir wollen diesen Menschen ihre Lebensgeschichte und ihren Namen zurückgeben – soweit die Quellen dies zulassen. Auf dieser Homepage werden wir laufend über unsere Arbeit informieren, um die Erinnerung an die Toten auch auf diesem Weg im öffentlichen Bewusstsein zu verankern. Wir hoffen so auch Nachfahren der Verstorbenen zu erreichen und freuen uns über jeden Hinweis und jede Auskunft zu den Toten.

Träger

Träger des Projekts sind die Universität Tübingen und die Universitätsstadt Tübingen.

Aktuelles

14.10.2024
Die WDR-Journalistin Juliane Krebs interessierte sich für den Umgang mit Körperspender:innen in der Bonner Anatomie. Bei ihren Recherchen wurde sie aber auch auf unsere Tübinger [...]
10.09.2024
Tübinger Anatomieausstellung wegen reger Nachfrage erneut verlängert Die Ausstellung „Entgrenzte Anatomie. Eine Tübinger Wissenschaft und der Nationalsozialismus“, die in der Alten Anatomie (Österbergstraße 3) in [...]
10.07.2024
Gemeinsam mit Tobias Jakobi, dem Macher des epochenübergreifenden Podcasts »Geschichte Europas«, haben wir im Mai eine Folge zum Gräberfeld X aufgenommen. Ab dem 29. Juli [...]